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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Urteil verkündet am 05.04.2000
Aktenzeichen: 15 UF 5/97
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 301
BGB § 1579
Wegen der Gefahr widersprechender Entscheidungen darf nicht durch ein Teilurteil entschieden werden, wenn gegen den eingeklagten Unterhalt grobe Unbilligkeit nach § 1579 BGB eingewandt wird.

Das Berufungsgericht darf bei einen unzulässigen Teilurteil aus sachdienlichen Gründen den erstinstanzlich noch anhängigen Streitgegenstand an sich ziehen, wenn die Parteien zustimmen.

Die Folgen einer schuldlosen aber rechtswidrigen Tat dürfen nach § 1579 Nr. 7 BGB bei der Höhe des Unterhaltsanspruchs berücksichtigt werden, wenn sie in einem erheblichem Ausmass fortwirken


15 UF 5/97 60 F 64/95 AG Kiel

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am: 05. April 2000

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

des Herrn ...

Beklagter, Berufungskläger und Anschlussberufungsbeklagter,

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Tischler, Dr. Carstensen, Dr. Schulz und Dr. Punke in Schleswig,

gegen

1. Frau ...

Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin zu 1),

2. ...

Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin zu 2),

3. des minderjährigen ...

wohnhaft ebenda, gesetzlich vertreten durch die Klägerin zu 1),

Kläger, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger zu 3),

4. der minderjährigen ...

wohnhaft ebenda, gesetzlich vertreten durch die Klägern zu 1),

Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin zu 4),

Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Schömers in Schleswig,

hat der 5. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 5. April 2000 durch die Richter am Oberlandesgericht , und für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufungen der Kläger zu 2) bis 4) wird das Urteil des Amtsgerichts -Familiengericht- Kiel vom 23. Mai 1996 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Der Beklagte wird verurteilt, wie folgt monatlichen Unterhalt zu zahlen ... :

Im übrigen werden die Klage ab- und die Berufung des Beklagten sowie die Anschlussberufung der Kläger zurückgewiesen.

<Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit>

Zum Sachverhalt:

Gegenstand des Rechtsstreits sind Unterhaltsansprüche der Klägerin zu 1. (Geschiedenenunterhalt) und der Kläger zu 2. bis 4. (Kindesunterhalt) für die Zeit ab Juli 1994.

Mit Teilurteil vom 23. Mai 1996, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht -Familiengericht- der Klage für die Zeit ab Juni 1996 überwiegend stattgegeben. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Hierzu macht er u.a. geltend, das Amtsgericht habe unzutreffend die Voraussetzungen des § 1579 BGB verneint. Der Klägerin zu 1) stehe allenfalls ein "Notunterhalt" zu, und dies auch nur im Hinblick auf die Betreuung der gemeinsamen Kinder. Insbesondere habe die Klägerin zu 1) gegen ihn einen brutalen und grausamen Mordversuch unternommen, in dem sie mehrfach mit einem Messer auf ihn eingestochen habe. Durch die Stichverletzungen sei er dauerhaft entstellt und leide auch heute noch an psychischen Beeinträchtigungen, die der therapeutischen Behandlung bedürften. Außerdem sei er in den Jahren 1992/1993 einem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des sexuellen Mißbrauchs an seinen Kindern ausgesetzt gewesen. Maßgebliche Ursache hierfür seien im wesentlichen die Angaben der Klägerin zu 1) im Sorgerechtsverfahren gewesen, die auf diesem Wege erreicht habe, dass die Kinder aus seinem Haushalt genommen worden seien. Die Vorwürfe des sexuellen Mißbrauchs seien - wie die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft belege - haltlos gewesen.

Die Kläger verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Insbesondere macht die Klägerin zu 1) geltend, sie habe im Zustand der Schuldunfähigkeit auf den Beklagten eingestochen. Der Vorwurf sexuellen Mißbrauchs sei nicht haltlos gewesen.

Nachdem der Senat die Parteien darauf hingewiesen hat, dass das Amtsgericht unzutreffend die Voraussetzungen für den Erlaß eines Teilurteils bejaht hat, haben die Parteien übereinstimmend beantragt, von einer Aufhebung und Zurückverweisung abzusehen und den noch in erster Instanz verbliebenen Streitgegenstand in die Berufungsinstanz heraufzuziehen.

Aus den Entscheidungsgründen:

Berufung und Anschlussberufung sind nur teilweise begründet. Dabei ist der Teil des Streitgegenstandes, den der Senat - wie unter I. näher auszuführen sein wird - aus erster Instanz an sich gezogen hat (Unterhaltsansprüche von Juli 1994 bis Mai 1996), ebenfalls als eine im Wege der Anschlussberufung geltend gemachte Klagerweiterung zu behandeln.

I.

An der Entscheidung des Rechtsstreits in der Sache ist der Senat nicht dadurch gehindert, dass das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft durch Teilurteil entschieden hat und bei einer Entscheidung nur über diesen Teil des Streitgegenstandes auch im Berufungsrechtszug die Unzulässigkeit des Teilurteils perpetuiert würde (1.). Denn der Senat zieht den in erster Instanz verbliebenen Teil des Streitgegenstandes an sich (2.).

1. Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen des § 301 ZPO nicht hinreichend beachtet. Danach darf ein Teilurteil nur erlassen werden, wenn die Gefahr widersprechender Entscheidungen - sei es auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht - im Zeitpunkt des Erlasses ausgeschlossen ist (vgl. nur BGHZ 107, 236, 242; Leibholz in Stein/Jonas, 21. Auflage, § 301 Rdn. m.w.N.). Dabei ist die Gefahr widersprechender Entscheidungen u. a. dann gegeben, wenn die Entscheidung über den "Rest" von denselben Vorfragen abhängt wie die Teilentscheidung. Dann ist nicht ausgeschlossen, dass über den Rest - sei es aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen - später abweichend entschieden wird (vgl. Leibholz a. a. O. Rdn. 8 a). So liegt es hier. Insbesondere betrifft die Frage, ob der Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) wegen des tätlichen Angriffs auf den Beklagten zu kürzen ist, sowie die Frage, ob die Klägerin zu 1) den Beklagten wider besseres Wissen in dem Strafverfahren wegen sexuellen Mißbrauchs der Kinder verdächtigt hat, nicht nur den Zeitraum ab Juni 1996, sondern in gleicher Weise auch den vorangegangenen Zeitraum. Schon deshalb hängt die Entscheidung über den in erster Instanz zunächst anhängig gebliebenen "Rest" von denselben Vorfragen ab wie die angefochtene Teilentscheidung.

2. Von einer Aufhebung zur Zurückverweisung sieht der Senat jedoch nach § 540 ZPO ab. Nachdem beide Parteien übereinstimmend eine abschließende Sachentscheidung in der Berufungsinstanz beantragt haben, hält es der Senat sowohl für verfahrensrechtlich zulässig als auch für sachdienlich, den im ersten Rechtszug anhängig gebliebenen Streitgegenstand in die Berufungsinstanz "heraufzuziehen". Durch diese Vereinigung der Streitgegenstände ist die Gefahr widersprechender Entscheidungen gebannt.

Allerdings ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solches Prozedere überhaupt prozessual zulässig ist. Ob es hierfür neben der nach herrschender Meinung erforderlichen Unzulässigkeit des Teilurteils lediglich auf Gesichtspunkte der Sachdienlichkeit ankommt, erscheint dem Senat zweifelhaft (vgl. hierzu die beachtliche Kritik von Grunsky in Stein/Jonas, 21. Auflage, § 540 ZPO, Rdn. 8 m.w.N.). Der Fall nötigt indessen nicht zu einer generellen Entscheidung dieser Rechtsfrage. Nach Auffassung des Senats stehen einem Heraufziehen jedenfalls dann keine durchgreifenden Bedenken entgegen, wenn dies die Prozessparteien - wie hier - übereinstimmend beantragt haben und ein solches Verfahren vom Berufungsgericht zudem für sachdienlich erachtet wird (im Ergebnis ebenso BGHZ 97, 281 <281 f.>). Bedenkt man, dass selbst nach mündlicher Verhandlung mit Zustimmung des Beklagten die in erster Instanz verbliebene Klage zurückgenommen und diese sodann - Sachdienlichkeit unterstellt - im Wege der Klageerweiterung in den Berufungsrechtszug eingeführt werden kann, entspricht es nicht nur der den Zivilprozess beherrschenden Dispositionsmaxime, sondern auch der praktischen Vernunft, den Parteien diesen Umweg zu ersparen.

II.

1. Der Beklagte ist im gesamten Unterhaltszeitraum nicht nur seinen Kindern, den Klägern zu 2) bis 4), aus §§ 1601 ff. BGB zum Unterhalt verpflichtet, sondern nach wie vor auch seiner geschiedenen Ehefrau, der Klägerin zu 1), aus § 1570 BGB. Jedoch ist der Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) wegen grober Unbilligkeit nach § 1579 BGB zu kürzen. Nachdem die Kläger beantragt haben, die bis einschließlich Juli 1996 begehrten Beträge insgesamt an das Sozialamt zu zahlen, bestehen gegen die Ausurteilung der vom Senat für begründet erachteten Beträge keine Bedenken mehr ...

2. Der Geschiedenenunterhalt ist gemäß § 1579 BGB im Hinblick auf die Folgen der rechtswidrigen Tat, die die Kägerin zu 1) zum Nachteil des Beklagten begangen hat um 25 % zu kürzen (a); eine weitergehende Kürzung scheidet aus (b).

a) Soweit der Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) zu kürzen ist, beruht dies nicht auf § 1579 Nr. 2 BGB. Zwar hat die Klägerin zu 1) zur Überzeugung des Senats die Tatbestände eines versuchten Tötungsdelikts (zumindest §§ 212, 22 StGB) und einer vollendeten Körperverletzung (zumindest § 223 StGB) verwirklicht, dies aber - wie das überzeugende Gutachten des Sachverständigen Dr. W. ergeben hat - im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB). Bei dieser Sachlage scheidet § 1579 Nr. 2 BGB aus. Nach allgemeiner Auffassung setzt dieser Verwirkungsgrund zumindest verminderte Schuldfähigkeit voraus (vgl. BGH NJW 1982, 100).

Jedoch greift mit Blick auf die Besonderheiten des Falles der Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 7 BGB ein. Zwar kann bei Nichteingreifen von § 1579 Nr. 2 BGB mangels Schuldfähigkeit nicht ohne weiteres auf § 1579 Nr. 7 BGB im Sinne eines Auffangtatbestandes zurückgegriffen werden, weil sonst die in Nr. 2 enthaltene Einschränkung leerliefe und der Gesetzgeber insoweit etwas Überflüssiges normiert hätte; dies ist gemeint, wenn der Bundesgerichtshof in älteren Entscheidungen, die zu § 1579 BGB in der bis zum 1. April 1986 geltenden Fassung ergangen sind (vgl. BGH FamRZ 1980, 981 <983>;1987, 572 <575>), ausgeführt hat, es gehe nicht an, einen Sachverhalt, der nach den Nr. 1 bis 3 des § 1579 a.F. nicht als Verwirkungsgrund ausreiche, als "anderen Grund" im Sinne von § 1579 Nr. 4 a.F. gelten zu lassen. Dadurch ist es jedoch nicht ausgeschlossen, im Rahmen des § 1579 Nr. 7 BGB zumindest dann die Folgen einer schuldlos begangenen Tat zu berücksichtigen, wenn diese über die formelle Erfüllung des Tatbestandes der Strafnorm hinaus fortwirken und derart schwer wiegen, dass eine volle Unterhaltsverpflichtung für den Unterhaltsschuldner unzumutbar und unverhältnismäßig wäre. Dies folgt jedenfalls für die hier maßgebliche Neufassung von § 1579 BGB zum einen aus einer an Sinn und Zweck der Neufassung orientierten Gesetzesinterpretation; zum anderen trägt nur ein solches Normverständnis den verfassungsrechtlichen Vorgaben ausreichend Rechnung. Im einzelnen:

Jedenfalls für die Neufassung des § 1579 BGB ist davon auszugehen, dass der Verwirkungsgrund der Nr. 7 BGB einschlägig ist, wenn die sich aus der Unterhaltspflicht ergebende Belastung die Grenze der Zumutbarkeit für den Unterhaltsschuldner überschreitet. Dies im Einzelfall zu ermöglichen, war gerade ein wesentliches Anliegen der Umgestaltung der Unbilligkeitsklausel (vgl. dazu BT-Drucks 10/2888 Seite 20). Dabei ist anerkannt, dass eine unterhaltsrechtliche Unzumutbarkeit auch dann angenommen werden kann, wenn dem Unterhaltsgläubiger kein vorwerfbares (schuldhaftes) Verhalten zur Last fällt. § 1579 Nr. 7 BGB kommt schon dann in Betracht wenn "allein objektive Gründe" eine Inanspruchnahme des Pflichtigen unzumutbar erscheinen lassen (BGH FamRZ 1994, 558 <559> m.w.N.). Auch nach der amtlichen Begründung der Neufassung sollten durch den Auffangtatbestand der Nr. 7 insbesondere die Fälle der "objektiven Unzumutbarkeit" erfaßt werden (vgl. BT-Drucks a.a.O.). Entscheidend ist danach, ob die Belastung mit der Unterhaltspflicht ganz oder teilweise aus der Sicht des Verpflichteten unerträglich wird und daher aus dem Gesichtspunkt der objektiven Unzumutbarkeit eingeschränkt werden oder entfallen muß (OLG Hamm FamRZ 1998, 371 <371> m.w.N.). Da die Aufbürdung eines verschuldensunabhängigen Unterhaltsanspruchs in den Schutzbereich der über Art. 2 Abs. 1 GG geschützten wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit eingreift und nur zulässig ist, sofern die Grenzen des Zumutbaren nicht überschritten werden (so BGH FamRZ 1990, 492, 496), lässt sich nur mit der vom Senat zugrunde gelegten Auffassung sicherstellen, dass mit Art. 2 Abs. 1 GG unvereinbare - da unverhältnismäßige - Belastungen des Unterhaltsschuldners vermieden werden können. Man denke nur an den Fall, dass der Unterhaltsschuldner infolge des rechtswidrigen Verhaltens des Unterhaltsgläubigers irreversibel von Kopf bis Fuß gelähmt ist oder in dauerhaftes Siechtum verfällt; es dürfte auf der Hand liegen, dass die Annahme einer ungeschmälerten Unterhaltspflicht auch in solchen Konstellationen nicht mit Art. 2 Abs. 1 GG in Einklang zu bringen wäre und eine Überspannung des Gedankens der nachehelichen Solidarität bedeutete. Dies erhellt, dass § 1579 Nr. 2 BGB nicht im Sinne einer abschließenden - § 1579 Nr. 7 BGB gleichsam "schematisch ausschließenden" - Sonderregelung gedeutet werden kann, es vielmehr nur um die Frage geht, unter welchen besonderen Voraussetzungen eine grobe Unbilligkeit im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB trotz Verneinung der für § 1579 Nr. 2 erforderlichen Schuldfähigkeit angenommen werden kann. Dem entspricht es, dass auch das OLG Hamm trotz Verneinung des § 1579 Nr. 2 BGB wegen fehlenden schuldhaften Verhaltens des Berechtigten zur groben Unbilligkeit über § 1579 Nr. 7 BGB wegen besonderer Umstände gelangt ist (vgl. OLG Hamm FamRZ 1998, 371, 372; wohl a.A. die noch zur alten Fassung von § 1579 BGB ergangene und daher jedenfalls überholte Entscheidung OLG Düsseldorf FamRZ 1983, 585 <587>).

Das vom Senat zugrunde gelegte systematische Verständnis der Nr. 2 und 7 des § 1579 BGB wird dadurch bestätigt, dass der Bundesgerichtshof nicht nur im Bereich des § 1579 Nr. 1 BGB zumindest der Sache nach auf § 1579 Nr. 7 BGB zurückgegriffen hat (vgl. BGH FamRZ 1988, 930; < 931 f. >1994, 558 f; zur Analyse der Rspr. siehe auch Gerhardt in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familiengerichtlichen Praxis, 4. Auflage, § 4 Rdnr. 745), sondern vor allem in mehreren Entscheidungen, denen ein Zusammenleben des Berechtigten mit einem anderen Partner zugrunde lag, das nicht als schwerwiegendes Fehlverhalten im Sinne von § 1579 Nr. 6 BGB gewertet werden konnte, als Verwirkungsgrund § 1579 Nr. 7 unter dem Blickwinkel der objektiven Unzumutbarkeit angenommen hat (vgl. etwa BGH FamRZ 1989, 487 <489f. >; NJW 1997, 1851 <1852>). Für das systematische Verhältnis der Tatbestände der Nummern 2 und 7 von § 1579 BGB kann nichts anderes gelten.

Besondere Umstände, die einen Rückgriff auf § 1579 Nr. 7 BGB gebieten, liegen vor. Auf den Beklagten ist mehrfach in brutaler Weise von der Klägerin eingestochen worden. Abgesehen von den unmittelbar durch die Tat beigebrachten erheblichen körperlichen Schäden hat das Verhalten der Klägerin zu 1) - über die Tatbestandsverwirklichung hinaus - zu Folgen geführt, die nicht nur krankengymnastische Behandlungen bis Ende 1995 erforderlich gemacht haben, sondern auch und vor allem zu immer noch fortdauernden psychischen Verletzungen, mit denen der Beklagte nach wie vor zu kämpfen hat. Wie der Beklagte dem Senat im Termin am 10. März 1999 im einzelnen eindrucksvoll geschildert hat, hat er durch den für ihn immer noch unfassbaren Angriff seiner damaligen Ehefrau ein nachhaltiges Trauma erlitten, das bis heute der Behandlung bedarf. Der Beklagte hat plastisch und glaubhaft dargetan, dass er auch nach all den Jahren noch aus Angstträumen erwacht, in denen er - wie damals - die wiederholten Einstiche mit dem Messer neu erlebt, ihn erneut das Gefühl "geschlachtet zu werden" gefangen nimmt, er dieses Gefühl mit in den Tag hinein nimmt und - für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar - nur sehr schlecht wieder "los wird". In Anbetracht dieser belastenden Folgen ist der Senat der Auffassung, dass eine "ungekürzte" Unterhaltspflicht des Beklagten für den Beklagten eine unzumutbare und unverhältnismäßige Überspannung der nachehelichen Solidarität bedeutete. Unter Würdigung der Gesamtumstände - auch unter Berücksichtigung der langen Ehezeit und der Betreuung der gemeinsamen Kinder - erachtet der Senat daher eine Kürzung des Elementar- und des Altersvorsorgenterhalts um 25 % für angemessen, nicht jedoch auch des Krankenvorsorgeunterhalts, der der Klägerin jedenfalls mit Blick auf die überdurchschnittlich guten Einkünfte der Beklagten ungeschmälert verbleiben soll.

b) Die Voraussetzungen für eine weitergehende Kürzung des Unterhalts liegen nicht vor.

aa) Der Senat hat sich nicht mit der für eine richterliche Überzeugungsbildung ausreichenden Sicherheit vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 1579 Nr. 6 BGB überzeugen können. Da der Beklagte insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt, geht dies zu seinen Lasten ...

Ende der Entscheidung

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